Floristisch-faunistische Notizen aus Trockengebieten des Nahe-Berglandes
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** Blockschutt am Leienberg, Hinzweiler/LK Kusel **
Ergebnisse einer Exkursion am 21. März 2009

 

Blockschutt am Leienberg


Exkursionsziel sö. Hinzweiler


Der Leienberg SÖ Hinzweiler ist Teil des Königsbergmassivs bei Wolfstein im Glanbergland. Der Berg liegt zwischen der Lauter im Osten und dem Talbach im Westen. Beide Bäche fließen nach Norden und münden in den Glan. Mit einer Höhe von 568 m ü.NN reicht die Berggruppe deutlich in den submontanen Bereich hinein. Sie besteht aus Rhyolith.

Rhyolithe sind saure Intrusivgesteine aus dem Perm bzw. Oberkarbon von weißer bis hellrotbrauner Färbung.

Größere Rhyolith-Areale in der Region liegen bei Nohfelden, bei Bad Münster am Stein und im Donnersberggebiet bei Rockenhausen. Im Vergleich mit der Größe dieser Gebiete kann der Königsberg nur als mittelgroßes Rhyolithgebiet angesehen werden. Die westlichsten (kleinen) Rhyolithvorkommen liegen in der Heimat des Autors in Schmelz-Aussen und Düppenweiler im Saarland.

Die spezifischen Habitateigenschaften des hier untersuchten Lebensraumes ergeben sich im wesentlichen aus folgenden vier Faktoren:
1. den physikalisch-chemischen Eigenschaften des Grundgesteins und seiner Verwitterungsprodukte,
2. der (geringen) Größe des hangabwärts liegenden Gewässers, einem Seitenast des Talbaches,
3. der Südwestexposition,
4. der Höhenlage.
Während z.B. im Taunusquarzit Blockschutthalden aus mächtigen, metergroßen Blöcken mit ausgeprägten und unergründlichen Höhlen- und Spaltensystemen und mit wenig bis keinem Feinmaterial entstehen, verdienen die Schutthalden im Rhyolith den Namen "Blockschutt" eigentlich nicht. Treffender wäre hier die Bezeichnung "Scherbenhänge". Die größten Platten sind kaum größer als 30 cm und bis zum Staub sind alle denkbaren Größen gleichmäßig vertreten. Die Haldenoberfläche ist in ständiger Bewegung. Beständig rieselt und rutscht das Material den steilen Hang hinunter und nur dort wo sich einzelne Kiefern etablieren konnten, kommt das Material zur Ruhe und liegt lange genug unbewegt, so dass die an der Luft liegenden Oberflächen oxidieren können (dunkle Färbung) oder dass sich Flechten ansiedeln können. An diese extremen Bedingungen ist offenbar keine der heimischen höheren Pflanzen angepasst. Die bewegten Haldenpartien sind praktisch vegetationsfrei, zumindest was Kräuter und Gräser betrifft.

 

 

Bemerkenswerte Faunenelemente auf der Blockschutthalde des LEIENBERGS:

Thanatus sabulosus

Leptopus marmoratus

Foto: Jungtier Thanatus sabulosus   Foto: Steinläuferwanze Leptopus marmoratus


Thanatus sabulosus
hat in Deutschland zwei Verbreitungsschwerpunkte (-->Karte). Der eine liegt in Brandenburg mit Ausläufern im Norden bis Mecklemburg-Vorpommern im Süden bis Sachsen und Sachsen-Anhalt. Der andere ist das südwestdeutsche Wärmegebiet. Bei uns im Südwesten bewohnt "sabulosus" aber keine Sandgebiete, sondern Felslandschaften.

Meine Funde (man beachte das jeweilige Funddatum, ich sammle bereits
seit Ende der 1980er Jahre kontinuierlich Spinnen):
Schafberg bei Pommern, kleiner Schiefersteinbruch, 23.06.01
Schloßböckelheim, Felsen, 26.05.02
Saarhölzbach, Blockschutthalde (Taunusquarzit), 20.05.07
Burg Falkenstein im Ourtal, Felsen, 03.06.07
Müdener Berg, kleiner Steinbruch, 01.07.07
Schloßböckelheim, Felsen, 10.06.07
Idar-Oberstein, Felsen, 10.06.07
Hosingen (Lux.), Felsenhang im Ourtal, 28.06.08

Literatur zu Thanatus sabulosus in Rheinland-Pfalz:

BRAUN, R.(1960): Neues zur Spinnenfauna des Rhein-Main-Gebietes und der Rheinpfalz.. - Jb. Nass. Ver.f. Naturkde. 95 , Wiesbaden: 28-89.
CASEMIR, H. (1975): Zur Spinnenfauna des Bausenberges (Brohltal, östliche Vulkaneifel). - Beiträge Landespflege Rhld.-Pfalz, Beiheft, 4: 163-203.
BÜCHS, W. et al. [Spinnen: T. BLICK] (1993): Das Naturschutzgebiet "Ahrschleife bei Altenahr" - Synoptische Einführung in das Untersuchungsgebiet sowie in die Hintergründe, Modalitäten, Methoden und Ergebnisse der zoologischen und botanischen Intensiverfassung. - Fauna, Flora, Geologie und Landespflegeaspekte. Teil 1. Beiträge zur Landespflege in Rheinland-Pfalz 16: 1-567.
MALTEN, A. (1991):
Die Spinnen- und Weberknechtfauna (Aranea, Opiliones) verschiedener Halbtrockenrasen in der Eifel unter dem Einfluß von allochthonem Nährstoffeintrag und Verbuschung. Diplomarbeit Univ. Frankfurt/Main, FB Biologie, 88 S.

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Leptopus marmoratus galt noch vor wenigen Jahren als sehr seltene Wanzenart in Mitteleuropa. Auf der Blockschutthalde am Leienberg ist die Art vergleichsweise häufig (Fundort in Google-Maps). Das Einsammeln erfordert etwas Fingerspitzengefühl, da die Tierchen ausgesprochen zart sind. Versucht man sie mit dem Finger von "ihrem" Stein herunter zu fegen und in ein Gläschen zu bugsieren, werden sie unweigerlich zerquetscht. Am besten man benutzt hierfür einen feinen Pinsel. Anders als z.B. Spinnen machen sie allerdings keine Anstalten vom aufgehobenen Stein, auf dem sie herumlaufen, abzuspringen.

Als ich im Dezember 2004 mein erstes Exemplar dieser Art im Steinbruch "Großer Horst" bei Schmelz (->News-Beitrag) entdeckte, ergaben die Recherchen, dass wohl nur noch eine weitere Fundstelle (bei Idar-Oberstein) in Südwestdeutschland bekannt war (Fundort in Google-Maps).

Nur wenige Wochen später im Januar 2005 gelang mir dann als Beifang während meiner arachnologischen Untersuchungen ein weiterer Fund bei Türkismühle in einem kleinen Steinbruch am "Nagelkopf"(->News-Beitrag)(Fundort in Google-Maps).

Am 06.08.2005 begegnete mir die Art erneut, diesmal während der Untersuchung eines vegetationsarmen Trockenhanges bei Langweiler/LK Kusel (->News-Beitrag) (Fundort in Google-Maps).

Die 4. Beobachtung der Art erfolgte auf einer anthropogenen Schutthalde vor einer Schiefermine bei Fell (östl. Trier) am 07.04.2007 (Fundort in Google-Maps).


Weitere Spinnenarten:
Textrix denticulata
Foto: Textrix denticulata, kleine aber kontrastreich gefärbte Winkelspinne aus der Familie der Agelenidae

Nach HEIMER & NENTWIG (1991) ist Textrix denticulata "stellenweise sehr häufig, in kleinen Trichternetzen an sonnigen Waldrändern, sowie Häuserwänden". Ein Blick auf die Nachweiskarte der Arachnologischen Gesellschaft zeigt aber, dass es wohl in Südwestdeutschland (speziell in Rheinland-Pfalz u. Saarland) keine solchen Stellen gibt. Außer einer Meldung aus Gönnersdorf und dem Raum Mainz gibt es aus der Region überhaupt keine weiteren Nachweise.
 

__________________________________________________________________________________________________A. Staudt


 

Offene Fragen:

Unter den Steinplatten versteckte sich regelmäßig eine kleine Neon-artige Springspinne, sowie eine Theridion-Art, die Theridion melanurum, einer Art, die in der Region praktisch an jeder Hausfassade vorkommt, ähnelt. Es stellt sich hier die Frage, ob es sich wirklich nur um die triviale Th. melanurum handelt, oder vielleicht doch um eine der selteneren Arten aus der schwierigen melanurum-Gruppe innerhalb der Gattung Theridion, z.B. Th. betteni.
Außerdem waren an einigen Stellen Fäden über die Steine gespannt, die stark an die "Startrampen" junger Tapezierspinnen (Atypus sp.) erinnerten (vgl. Bericht über einen Felsen im Leuktal von 2008).
Schläuche oder Jungtiere waren allerdings keine auszumachen.

Foto: Neon sp. (links), Theridion sp. (Mitte), Atypus-Fäden? (rechts)

** Blockschutt am Leienberg, Hinzweiler/LK Kusel **
2. Besuch am 16. Mai 2009

 

...und es gibt sie am Leienberg doch, die Fangschläuche von Atypus sp.:
Atypus-Schlauch
Foto: Fangschlauch der Tapezierspinne Atypus

Des Rätsels Lösung: Am Leienberg befanden sich alle gefundenen Atypus-Schläuche (bis auf einen unter einer Baumwurzel) unter Steinplatten.
Obwohl sich die Dominanzverhältnisse bei den Arthropoden auf der Blockschutthalde im Vergleich zum ersten Besuch am 21. März 2009 deutlich verschoben hatten, gelang es uns nach längerer Suche dann schließlich doch einige Neon und Theridion zu finden und zur Bestimmung einzusammeln. Im Mai ist zweifelsohne Crustulina guttata, eine kleine, hübsch gezeichnete Kugelspinne, die dominante Art auf der Unterseite der Steinplatten. Am Leienberg sitzt sie wirklich unter fast jedem Stein. Von der Steinläuferwanze Leptopus marmoratus
konnten wir dagegen nur noch ein Exemplar ausfindig machen.

Die "verdächtigen" Kugelspinnen aus der Theridion melanurum-Gruppe gehören, wie sich nach einer aufwendigen Genitalpräparation herausstellte, offensichtlich zwei verschiedenen Arten an. Zum einen der häufigen Art Theridion mystaceum, zum anderen einer Art, die wohl Th. melanurum sehr nahesteht. Zu einer abschließenden Determination konnte ich mich aber bisher nicht durchringen.

Theridion mystaceum
Foto: Theridion mystaceum*
*Der belgische Arachnologe Herman Vanuytven teilt uns am 23.12.2012 mit, dass es ich bei dem oben abgebildeten Exemplar nicht um Theridion mystaceum, sondern um eine neue, bisher verkannte Art aus der melanurum-Gruppe handelt, an der er gerade arbeitet (sie hat noch keinen Namen). Unterscheidungsmerkmale sind die dünneren und komplexer geknäuelten Einführgänge.
Theridion cf. betteni
Foto: Theridion-Art aus der melanurum-Gruppe, möglicherweise Theridion betteni

Nach Wiehle (1937) und Thaler (1966) ist die Epigynengrube bei Th. melanurum nur etwa halb so groß wie die durchscheinenden Receptacula seminis und liegt weiter hinten. Die Einführöffnungen der Einführgänge sitzen am Rande der Epigynengrube und sind daher kaum zu sehen. Die Schlingen der Einführgänge liegen links und rechts neben der Epigynengrube. Bei Th. betteni hingegen sitzen die Einführöffnungen sehr dicht zusammen im Zentrum der Epigynengrube und sind daher, inkl. der abgehenden Einführgänge ganz gut zu sehen. Die Epigynengrube ist sehr groß und liegt teilweise über den Samentaschen.
Mit anderen Worten, die beiden aufgesammelten Theridion-Exemplare gehören eher zu betteni als zu melanurum.

Die am Standort vorgefundenen Springspinnen aus der Gattung Neon konnten dagegen eindeutig und problemlos der Art Neon levis zugeordnet werden, denn die Epigyne der Art N. levis unterscheidet sich deutlich von denen der anderen Arten dieser Gattung.
Neon levis femelle
Foto: Neon levis, eine sehr seltene Springspinne, präferiert wahrscheinlich Blockschutthalden
Ein weiterer "schöner" Fund gelang mit dieser schwarzglänzenden, winzigen Springspinne. Es handelt sich um Chalcocirtus infimus, eigentlich eine extrem seltene Art, aber der Fund am Leienberg war nun schon der 3. neue Fundort dieser Art für das Jahr 2009. Die beiden anderen Fundorte liegen im Donnersberg-Gebiet, einem sehr viel größeren Rhyolith-Massiv nordöstlich von Kaiserslautern.
Chalcoscirtus infimus
Foto: Chalcoscirtus infimus, eine nur 2 mm große und sehr seltene Springspinne
Während sich der Arachnologe Staudt mit unscheinbaren Winzlingen unter Steinen herumschlagen mußte, durfte sich Bryologe Heseler, quasi auf entomologischen Abwegen, mit exotischen Schönheiten befassen:
Rhinocoris iracundus
Foto: Rote Mordwanze Rhinocoris iracundus (Foto: Ulf Heseler)
Ectobius lucidus maleEctobius lucidus femelle Nebenstehende Tierchen werden dagegen, insbesondere wenn man ihnen in Natura begegnet, bei den meisten Menschen eher Abscheu erregen. Es sind heimische Vertreter der Schaben (Blattoptera), die die meisten wohl nicht aus heimischen Gefilden, sondern aus dem Urlaub in südlichen Ländern ("la cucaracha") kennen werden.

Am Leienberg gab es neben der xerothermen Art Ectobius pallidus (bleiche, strohgelbe Färbung) und der Gewöhnlichen Waldschabe Ectobius sylvestris (dunkle, fast schwarze Färbung) noch diese im Felde durch ihre dunkelbraune Färbung auffällige Art: Ectobius lucidus.

Fotos: Ectobius lucidus
(zur Vergrößerung Bilder anklicken)

Eine Bestimmungshilfe findet man hier.
  Diese Art ist (neben E. panzeri) nach derzeitigem Kenntnisstand wahrscheinlich die seltenste der insgesamt fünf Freilandarten, die im Großraum SAAR-LOR-LUX und Rheinland-Pfalz vorkommen.

 

Zora manicata Weibchen Zum Schluß können wir noch von einem biogeographisch bedeutenden Spinnenfund berichten. Das nebenstehende Tier und weitere Exemplare, Weibchen wie auch Männchen, hielten wir vor Ort für Zora sylvestris, einer eher seltenen Art, aber doch typisch für Trockenstandorte.

Die Nachbestimmung zu Hause unter dem Binokular ergab jedoch einen anderen, sehr überraschenden Befund. Es handelt sich hier um Zora manicata.
Von dieser Art gibt es in Deutschland kaum mehr als 10 Nachweise, und wenn man sich die Nachweiskarte anschaut, könnte man glauben, dass es sich um eine eher östlich verbreite Art handeln würde, die irgendwo im Maingebiet die Westgrenze ihrer Verbreitung erreicht.
Foto: Zora manicata    

_____________________________________________________________________________________A. Staudt & U. Heseler