Floristisch-faunistische
Notizen aus dem Niedtal |
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Beobachtungen rund um den Tag der Artenvielfalt 2009 |
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** Gauberg bei Siersdorf **
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Der Gauberg, ein sonnenexponierter
Prallhang der Nied bei Siersdorf, ist schon lange als Naturschutzgebiet
ausgewiesen, und von den standörtlichen Gegebenheiten her für
den Artenschutz von besonderer Bedeutung. Allerdings hat die Sukzession
den Hang voll im Griff und bis die gerade angelaufenen Pflegemaßnahmen
wirklich greifen, wird sicherlich noch einige Zeit verstreichen. |
Es handelt sich bei dieser
Art wieder einmal um einen Neozoon, der schon vor einiger Zeit in die
atlantischen Region Westeuropas vorgedrungen ist und sich mittlerweile
in Großbritannien,
Belgien und den Nieder-landen voll etabliert hat. Nun beginnt er auch
vom Niederrhein her ins Ruhrgebiet vorzudringen |
Foto: Dicranopalpus
ramosus, Jungtier |
Was könnte wohl an dieser
nur ca. 3 mm großen Zwergspinne so interessant sein, dass sie hier
als Besonderheit aufgeführt wird? |
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Foto:
Hylyphantes nigritus |
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Punkt
3 läßt sich aus der Beobachtung ableiten, dass ich die Art nahezu
bei jeder Exkursion in die genannten Regionen gefunden habe, in den
>5000 Spinnen-Aufsammlungen aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz fehlt
sie aber komplett. Die Art muss also in unserer Region eine Verbreitungsgrenze
besitzen, eventuell stellt das Moseltal die Ostgrenze ihrer Verbreitung
dar. Bzw. müßte man, da die Art auch in Osteuropa vorkommt, korrekterweise
so formulieren: Die Mosel ist die Westgrenze einer großen Verbreitungslücke
im Gesamtareal der Art, welche große Teile Deutschlands umfaßt.
Und nun ist Hylyphantes nigritus offenbar dabei diese Verbreitungslücke vom Südwesten her zu schließen. Das macht für den Arachnologen den Reiz bei dieser Art aus. Weitere bemerkenswerte Arten am Gauberg bei Siersdorf: |
Foto: Lepismachilis y-signata | Foto: Phymata crassipes | Fotos: Ophrys insectifera u. Ectobius pallidus | |
Bezüglich der Orchideen ist der Gauberg für saarländische Verhältnisse und angesichts der extremen Standortverhältnisse mehr als bescheiden ausgestattet. Lediglich ein einziges Orchideenindividuum der Art Orchis insectifera konnte ich ausmachen. Die Felsenspringer waren an Erdanrissen mit Lepismachilis y-signata vertreten. Diese Art dürfte nach den Beobachtungen aus dem vergangenen Jahr 2008 die häufigste Art im Saarland sein. Wahrscheinlich eine nahezu euryöke Art. Die thermophile Schabenart Ectobius pallidus ist im Saarland und Rheinland-Pfalz an Felsenstandorten nicht selten, auf Kalk-Halbtrockenrasen konnte ich sie zwar auch schon einfangen, allerdings nur in Lothringen. Phymata crassipes, das Teufelchen, ist ebenfalls eine ausgesprochen thermophile Art. |
Die folgenden Fotos
sollen vor allem auf ein Defizit in der Erforschung der Heuschreckenfauna
des Saarlandes hinweisen: Ist die Gattung Textrix auch im Saarland
mit Tetrix bipunctata vertreten, oder nicht? In den 90er Jahren des
vorigen Jahrhunderts war die Gruppe der Heuschrecken intensiv bearbeitet
worden. Als Ergebnis dieser Arbeiten entstand 1996 ein Verbreitungsatlas
(DORDA, MAAS & STAUDT 1996). Die Tetrigidae sind danach mit den
drei Arten Tetrix undulata, T. tenuicornis und T. subulata im
Saarland vertreten. Alle drei Arten sind im Saarland nicht selten, wobei
sich bei Tetrix tenuicornis eine deutliche Bevorzugung der Muschelkalklandschaften
zeigt und T. undulata dort deutlich seltener als im übrigen
Land ist (und umgekehrt). Für das Fehlen von Tetrix bipunctata im Saarland gibt es keinen einleuchtenden Grund. Nach der bundesweiten Verbreitungskarte wird die Art zwar nach Westen zu deutlich seltener, sie kommt aber durchaus auch in Rheinland-Pfalz, Luxemburg und Lothringen vor (MAAS, DETZEL & STAUDT 2002). Dieses hübsche Tetrix-Exemplar vom Gauberg ist jedenfalls nur ein ganz gewöhnlicher Tetrix tenuicornis: |
Foto: Tetrix tenuicornis |
Literatur: |
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_________________________________________________________________________ A. Staudt |
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Trockenmauer im ehemaligen Weinberg |
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Bei einer Exkursion am 26.05.2005
wurden folgende bemerkenswerten Spinnenarten an diesem Hang festgestellt:
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Talavera
inopinata
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ein
Jungtier von Dipoena
inornata
mit gelben Beinen ohne Schwärzung
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Atypus
sp.
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Dipoena
inornata heißt heute Phycosoma inornatum und
hat gewöhnlich gelbbraune Beine wobei die Tibia etwas dunkler ist (vgl.
z.B. Bericht
zum Leuktal). Der Schluß von 2005, dass bei Jungtieren diese Schwärzung
wohl auch einmal fehlen könnte, erweist sich allerdings nach den Ergebnissen
der diesjährigen Exkursion als falsch. Diesmal wurden nämlich gleich mehrere Tiere aus der Gattung Dipoena mit reingelben Beinchen gefunden, darunter auch bestimmbare adulte Exemplare. Es handelt sich hierbei um eine weitere seltene Dipoena-Art, Dipoena erythropus. |
Auch
die anderen bemerkenswerten Arten Talavera inopinata, Liocranum rupicola
und Cetonana laticeps konnten bestätigt werden. Allein Phycosoma
konnte nicht wiedergefunden werden. Nachdem in diesem Frühjahr vom Erstfund der Agelenidae Textrix denticulata im Nahe-Bergland berichtet werden konnte (vgl. Bericht: Leienberg bei Hinzweiler), hier nun die Erstbeobachtung im Saarland. Foto: Textrix denticulata |
Während wir intensiv die Trockenmauer musterten, wurden wir unsererseits aus einer Mauerspalte heraus beobachtet: | Möglicherweise auch von diesen Tierchen, die man zahlreich aus dem Efeu herausklopfen konnte, der das Mauerwerk stellenweise überwucherte: |
Foto:
Schlingnatter, unmittelbar nach Häutung |
Foto:
Felsenspringer Lepismachilis y-signata |
Und neben dem mittlerweile als ziemlich anspruchslos erkannten Lepismachilis y-signata kommt eine weitere Felsenspringerart auf der Trockenmauer vor: Trigoniophthalmus alternatus |
Foto: Trigoniophthalmus
alternatus |
Bestimmungsrelevantes
Merkmal für diese Art sind die dreieckigen Ocellen unter (= vor) den
großen Komplexaugen. Anmerkung: Ein weitere Fund der Art gelang am 03.07.2009 im Steinbruch auf dem Eiderberg bei Freudenburg (leg. A. STAUDT / E. SCHALLER) |
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Foto: Ectobius lucidus. |
_________________________________________________________ A. Staudt & B. Dennemärker |
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Aufgelassener Kalksteinbruch südl. Hemmersdorf **
Ergebnisse einer Exkursion am 12. u. 13. Juni 2009 |
Das weitläufige Gelände des ehemaligen Kalkbergwerks südlich Hemmersdorf entstand, als in der Stahlindustrie des Saarlandes noch Löschkalk in großen Mengen gebraucht wurde. Diese Zeiten sind schon lange, wenn auch noch nicht ganz so lange wie der Weinanbau im Gebiet um Hemmersdorf, vorbei. Durch Einsturz der alten unterirdischen Kammern entstand das Gebiet, dass dem heutigen Besucher als Steinbruchgelände erscheint. Da es wegen der Einsturzgefahr nicht bewirtschaftet werden kann, konnte sich ein wichtiges Rückzugsgebiet für seltene Pflanzen- und Tierarten entwickeln, das aufgrund seiner Lage, Größe und Artenausstattung heute Teil des europäischen Schutzgebiets-Netzes NATURA 2000 geworden ist. Die natürliche Sukzession, der eigentliche Grund für die heutige Bedeutung des Gebietes, ist aber zugleich auch der größte Gefährdungsfaktor. Die optimale Mischung von 30% offener Magerrasen, 30% locker verbuschter Magerrasen und 30% Gebüsch ist längst zu Gunsten der Verbuschung überschritten. In diesem Zusammenhang und mit Blick auf die heutige und zukünftig wohl noch bescheidenere Ausstattung des Naturschutzes mit finanziellen Mitteln erscheint eine Diskussion zum Thema "Pflege mit Feuer" längst überfällig. In Kalksteinbrüchen aber auch auf den Abraumhalden und trockenen Absinkweihern der Montanindustrie konnten sich in der gesamten Großregion im Verlauf der letzten 50 Jahre große Bestände der beiden Wintergrünarten Pyrola minor und P. rotundifolia etablieren. Insbesondere Pyrola rotundifolia, früher die seltenere Art, vergrößert augenscheinlich seit ca. 10-20 Jahren ihre Bestände massiv. |
Foto: Pyrola rotundifolia (links), Bartflechte Bryoria fuscescens (rechts) |
Flechten bilden im gesamten Gelände auffällige Bestände. Alle Bäume und Sträucher sind dicht mit Flechten bewachsen. An luftfeuchten, schattigen Stellen tragen die Bäume regelrechte Mähnen und Bärte. |
Libellen würde man im ersten
Moment zwar nicht mit einem Trockengebiet in Verbindung bringen, aber gerade
die Arten der Gattung Gomphus sind bekannt dafür, dass
sie sehr gerne weit herumfliegen und dann auch mal kilometerweit vom nächsten
Fließgewässer entfernt zu beobachten sind: |
Foto: Gomphus
pulchellus |
Bemerkenswerte
Arten: |
Foto: Heterocordylus genistae | Foto: Hylyphantes nigritus | Foto: Lepismachilis y-signata | Foto: Salticus zebraneus |
Die Wanze Heterocyrdylus
genistae, lebt, wie der Artname schon andeutet, besonders gerne
an Färberginster. Sie wurde erst kürzlich erstmals für das
Saarland gemeldet. Wir denken, dass eine gezielte Suche an Färberginster
sicherlich noch viele Funde ermöglichen würde. |
Hylyphantes nigritus:
Innerhalb weniger Tage (siehe oben Beitrag "Gauberg") jetzt schon
der zweite Nachweis der Art im Saarland. |
Salticus zebraneus ist leicht mit dem an Hauswänden (und Felsen) häufigen Salticus scenicus zu verwechseln. Die Art lebt auf der Baumrinde alter Bäume und ist ausgewachsen deutlich kleiner als S. scenicus. Da die Muster auf dem Hinterleib bei beiden Arten etwas variabel sind, fällt auch dem erfahrenen Arachnologen bei manchen Tieren die Bestimmung nach äußerlichen Merkmalen schwer. Angemessene Fangmethode für diese Art sind Baumeklektoren, die aber selten eingesetzt werden. Entsprechend dürfte die Art im gesamten Bundesgebiet deutlich unterkartiert sein. Allerdings ist auch Salticus scenicus unterkartiert, da Arachnologen selten im Hausbereich sammeln. |
________________________________________________ A. Staudt, U. Heseler & B. Dennemärker |
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Prallhang der Nied nordwestl. Niedaltdorf ** |
Ziel der arachnologischen Hauptexkursion am Tag der Artenvielfalt war der ostexponierte, bewaldete Prallhang der Nied nordwestlich Niedaltdorf. Besondere Lebensraumtypen dort sind kleinere, mit Moosen überwachsene Kalkschutthalden und eine Quellrinne mit Sinterterrassen und Kalktuffe. Erfahrungsgemäß sind an solchen Standorten mit der Sammelmethode Handfang und Klopfschirm/Kecher keine nennenswerten Spinnenarten zu erwarten. Dies bestätigte sich auch bei dieser Aufsammlung. |
Foto: Felsenspringer
Lepismachilis y-signata |
Felsenspringer
in einem dunklen, luft- und boden-feuchten Wald war eine echte Überraschung.
Die Tierchen leben dort im unteren Stammbereich von Bäumen, die mit
Efeu dicht bewachsen sind. Das Habitat ist, vorausgesetzt es läuft
kein Regenwasser direkt am Stamm entlang, ziemlich trocken. Wenn allerdings felsenartige Elemente für die Habitat-ausstattung bei dieser Art überhaupt nicht notwendig sind, erhöht sich die Anzahl der potenziell möglichen Fundstellen im Saarland enorm. Nebenstehendes Tierchen zeigt, dass die Evolution auch in der Ordnung der Spinnentiere ganz bizarre Lebensformen hervorgebracht hat. Es gehört zu den Brettkankern Trogulidae, die in der Laubstreu und am Boden leben. Körper (ca. 4 mm) und Beine sind mit Erdklümpchen getarnt. Die Gattung Anelasmocephalus ist in Mitteleuropa außerhalb der Gebirge lediglich mit einer einzigen Art Anelasmocephalus cambridgei vertreten, einem atlantisch-submediterranen Faunenelement. Die Trogulidae leben von Mollusken und sind daher auf Kalk deutlich häufiger als auf kalkarmen Substraten. Foto links: Anelasmocephalus cambridgei |
Dies könnte z.B. eine potenzielle Beute für unseren Brettkanker sein: |
Foto: Helicodonta obvoluta (auf Kalkschutt, schattig, locker moosüberwachsen) |
Die folgende Stelzenwanze Metatropis rufescens ist an Hexenkraut Circaea lutetiana gebunden und damit ein typisches Faunenelement feuchter Laubwälder. In den Muschelkalkgebieten recht häufig, sonst etwas seltener. |
Foto:
Metatropis rufescens Und hier ein weiteres Tier mit Stelzen, eine Stelzmücke aus der Familie der Limoniidae, Epiphragma ocellaris: |
Foto:
Epiphragma ocellaris |
Aber
natürlich können die Spinnentiere auch beim Thema "Stelzen"
mithalten: Platybunus pinetorum hat gleich acht Stück
davon und zudem noch länger als bei den Konkurrenten.
Die Art ist ein typisches Element der montanen bis submontanen Bergwälder
im Nordsaarland und Hunsrück und dort auf Schritt und Tritt zu finden.
In den collinen Wäldern des mittleren und südlichen Saarlands
sehr viel seltener. |
Foto: Platybunus
pinetorum |
Zum
Abschluß des Berichts das Belegfoto einer Großlibelle, die wir
ganz am Anfang unserer Exkursion noch im Ort selbst an einer Hauswand beim
Wärmetanken beobachten konnten: |
Foto:
Gomphus vulgatissimus Aus dem Niedgebiet sind noch zwei weitere Gomphidenarten bekannt: Ophiogomphus cecilia (Grüne Keiljungfer) und Onychogomhus forcipatus (Kleine Zangenlibelle) |
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A. Staudt & U. Heseler Dank an Bernd Trockur (Libellen) und Carsten Renker (Mollusken) für Bestimmungshilfen |
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